Eine Ernährungsstrategie ist nicht unbedingt das Erste, das einem nach einer Verletzung in den Sinn kommt. Logisch, Ruhe ist wichtig und oberstes Gebot, aber vielleicht gibt es auch sowas wie Rehabilitation Nutrition? Wenig Aufwand, hoher Benefit?
Natürlich hängt die spezifische Zusammensetzung der Ernährung letztendlich von der Art Deiner Verletzung ab. DAS Lebensmittel, um gesund zu werden, gibt es nicht. Trotzdem kannst Du den Heilungsprozess mit ein paar einfachen Tricks unterstützen.
Regel #1: Kein Kaloriendefizit
Grundsätzlich ist Dein Energiebedarf bei Verletzungen reduziert, allerdings ist dieses Defizit meist minimal, da die Inflammation, Wundheilung und Deine Restmobilität viel Energie erfordern. Wird die Kalorienzufuhr eingeschränkt, kann sich daher der Heilungsprozess verlangsamen. Vor allem in der Anfangsphase der Verletzung spielen Kohlenhydrate eine zentrale Rolle, sie wirken katabolen Prozessen entgegen. Das Risiko des Muskelabbaus wird minimiert (Papadopoulou, 2020). Ideal sind komplexe Kohlenhydrate und Vollkornprodukte, verzichte auf Alkohol und zugesetzten Zucker.
Regel #2: Viel Protein
Auch wenn Du verletzt bist, bleibt Dein Proteinbedarf mindestens so hoch wie in Trainingszeiten. Proteine liefern Aminosäuren, die für die Reparatur und den Erhalt von Muskeln, Sehnen, Bändern und Knochen unerlässlich sind. So kannst Du wichtige Muskelmasse zu einem großen Teil erhalten bzw. den Abbau bestmöglich gering halten. Idealerweise rechnest Du für die Eiweißzufuhr 1,7-2,0 g/kg KG. Yep, richtig gelesen, das sind bei einem 75-kg-Athleten schonmal 130-150 g. Am besten Protein gleichmäßig über den Tag verteilt und aus unterschiedlichen Quellen konsumieren, um eine optimale Aminosäurenvielfalt sicherzustellen.
Regel #3: Trinken
Schon eine leichte Dehydratation kann die Blutosmolalität und den Hydratationszustand der Zellen verändern. Das kann einen Proteinabbau zur Folge haben, der in einem Abbau der Muskelmasse resultiert (Hill and Hill, 1998). Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist also unumgänglich, auch während einer Verletzung. Wichtig: Balance finden, ein guter Indikator ist das eigene Durstgefühl. Wer alle 20-30 Minuten zur Toilette muss, hat es eventuell übertrieben. Generell gilt: Heller, klarer Urin ist ein gutes Zeichen für eine ausreichende Hydratation.
Vitamine und Supplemente
Food first: Die Nährstoffzufuhr sollte primär über eine ausgewogene Ernährung gedeckt werden. Zur unterstützenden Einnahme von Supplementen gibt es bisher wenig gesicherte Daten. Wer es trotzdem probieren möchte:
- Leucin: (BCAA, essentielle, verzweigtkettige Aminosäure) Kann die anabole Resistenz vermindern, dient also dem Erhalt der Muskelproteinsynthese, vor allem im frühen Verletzungsstadium wichtig. Lebensmittel mit hohem Gehalt an Leucin sind: Nüsse, Fisch, Fleisch, Hüttenkäse, Ei, Sojadrinks und Vollkorngetreide.
- Kreatin: Einige wenige Studien zeigen, dass mit einer Supplementierung von 20 g/Tag über 2 Wochen der Muskel- und Muskelschwächeverlust begrenzt werden kann. Laut Studien nur kurzfristig anwenden!
Vitamin C: Spielt eine wichtige Rolle in der Kollagenproduktion des Körpers. Kollagen ist Hauptbestandteil von Knochen, Muskeln, Sehnen und Haut. Vitamin C wirkt außerdem antioxidativ.
Vitamin D und Calcium: Bei Knochenverletzungen unbedingt Status checken lassen! Calcium ist wichtig für den Knochenaufbau und -erhalt, bei Vitamin-D-Mangel ist allerdings keine adäquate Calciumaufnahme möglich. Calcium ist enthalten in Milchprodukten, Brokkoli, Mandeln, Tofu. Vitamin-D-reiche Lebensmittel sind z. B. Lachs und Eigelb.
Kollagen: Sehnen-, Bänder- und Muskelverletzungen können von einer erhöhten Kollagenzufuhr profitieren, vorausgesetzt, die Basisernährung stimmt (PILLAR Collagen Repair).
Antioxidantien: Radikale dienen als Signalmoleküle der Wundheilung. Antioxidantien können aus diesem Grund den Heilungsprozess verlangsamen. Dieses Thema muss sehr differenziert betrachtet werden, die Einnahme von Antioxidantien als Supplement wird derzeit in Phasen der Immobilität nicht empfohlen.
Take-home-Message: Keep fueling!
Fehl- und Mangelernährung gelten als Risikofaktor für Verletzungen!
Recovery Kakao
200 ml Milch oder Pflanzendrink erwärmen
1-2 TL geriebene dunkle Schokolade (oder echten Kakao)
1 TL Honig
¼ TL Zimt oder 2 Prisen Chili einrühren
Quellen
- Papadopoulou S (2020). Rehabilitation Nutrition for Injury Recovery of Athletes: The Role of Macronutrient Intake. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32824034/
- Hill AG, Hill GL (1998). Metabolic response to severe injury. British Journal of Surgery, 85(7), 884-890. https://academic.oup.com/bjs/article-abstract/85/7/884/6269957
- ÖGSE, Ernährung in der Rehabilitation von Verletzungen des Bewegungsapparats im Sport, Lehrbuch der Sporternährung 2017
Janina Seitner
Janina ist Sports Nutrition Coach, studiert Trainingswissenschaft und Sporternährung und ist Trailrunnerin. Mit fuelthedistance.de hilft sie Spiel- und Ausdauerathlet*innen nicht nur das „Warum“, sondern auch das „Wie“ hinter der Sporternährung zu verstehen.