Natrium: Die Schlüsselrolle in der sportlichen Performance

Natrium: Die Schlüsselrolle in der sportlichen Performance

Juli Brüning |

Natrium: Die Schlüsselrolle in der sportlichen Performance - ein Gastbeitrag von Juli Brüning (Teil 1/3)

Egal, ob bei Ausdauerleistungen oder im Teamsport, für Athletinnen und Athleten ist Natrium ein oft unterschätztes, aber entscheidendes Element zur Optimierung und Aufrechterhaltung der sportlichen Leistungsfähigkeit.1 Als wichtigstes Elektrolyt, das wir beim Sport über den Schweiß verlieren, sorgt Natrium dafür, dass der Körper auch unter Belastung optimal funktioniert. Es reguliert u.a. den Flüssigkeitshaushalt, unterstützt die kognitive Leistungsfähigkeit und Muskelkontraktion, hilft bei der Nährstoffaufnahme im Darm und ist ein essenzieller Bestandteil, um das Blutvolumen aufrechtzuerhalten.

Natriummangel: Über DNF’s & „Underperforming“


Jeder kennt die Geschichten von Athlet*innen – vom Hobby- bis zum Elitesportler*innen: Wochen- oder gar monatelange Vorbereitung, alles perfekt geplant, die Stimmung am Start nervös-euphorisch – und dann endet der Wettkampf mit einem enttäuschenden „DNF“ (Did Not Finish). Eine Studie aus dem Jahr 2015 zeigt, dass Magen-Darm-Probleme mit 35,6 % den häufigsten Grund für DNFs darstellen2. Übelkeit, Erbrechen, Magenkrämpfe, Durchfall und Blähungen – der Wettkampf kann wortwörtlich in die Hose gehen! Dabei ist nicht nur an falsch dosierte Gels, Energieriegel oder andere Formen von Snacks und Kohlenhydraten zu denken, sondern auch daran, dass ein Ungleichgewicht bei der Flüssigkeits- und Natriumaufnahme eine Schlüsselrolle spielt.

Das Gleiche gilt für das sogenannte „Underperforming“ im Wettkampf: Muskelkrämpfe, erhöhte Herzfrequenz bei geringerer Leistung, müde Beine, große Schwierigkeiten bei Hitzestress und Unkonzentriertheit. Auch wenn daraus kein DNF resultiert, endet das Rennen weit hinter den eigenen Erwartungen.

Die Grundlagen: Was macht Natrium eigentlich?


Unser Körper besteht zu 50-70 % aus Wasser. Ein Drittel davon befindet sich außerhalb der Zellen (z. B. im Blutplasma) und bildet die extrazelluläre Flüssigkeit, aus der unsere Schweißproduktion gewonnen wird. Genau dort spielt Natrium eine zentrale Rolle. Es sorgt dafür, dass das Flüssigkeitsvolumen im Blut stabil bleibt. Das ist essenziell für eine ausreichende Blutzufuhr zum Verdauungssystem für die Nährstoffaufnahme, zur Regulierung der Körpertemperatur und Schweißproduktion als Kühlmechanismus sowie zur Weiterleitung elektrischer Signale, insbesondere bei der Muskelkontraktion.3

Natrium sorgt dafür, dass mehr Flüssigkeit im System zurückgehalten wird. Weniger Natrium bedeutet wiederum eine geringere Flüssigkeitsretention und eine schnellere Dehydrierung.

Wenn du schwitzt, verlierst du also nicht nur Wasser, sondern auch Natrium, was sich, sofern es nicht ausreichend in der richtigen Konzentration ersetzt wird, negativ auf die Leistungsfähigkeit auswirkt. Das gilt insbesondere für längere Belastungen und bei wärmeren Bedingungen, aber auch auf kurzen Distanzen ist der optimale Hydrationszustand essenziell für die sportliche Leistungsfähigkeit.4

Ein Natriummangel durch Schweißverlust oder eine zu hohe Zufuhr von reinem Wasser verdünnt die Natriumkonzentration im Blutplasma und kann sogar zu lebensbedrohlichen Zuständen wie der belastungsinduzierten Hyponaträmie (gefährlich niedriger Natriummangel im Blut)5 führen!

Der menschliche Körper kann Natrium weder produzieren noch über einen bestimmten Punkt hinaus speichern. Daher ist eine regelmäßige Zufuhr unerlässlich – besonders bei SportlerInnen mit sehr salzigem Schweiß und hohem Schweißverlust!

Schweißkonzentration und Schweißrate: Zwei unterschiedliche Faktoren, die die Hydrationsstrategie bestimmen


Die Schweißkonzentration bezieht sich auf die Menge an Elektrolyten, insbesondere Natrium, die wir in unserem Schweiß verlieren. Während andere Elektrolyte wie Magnesium, Calcium und Kalium auch im Schweiß vorkommen, ist ihre Menge vergleichsweise gering. Die Schweiß-Natrium-Konzentration wird in Milligramm pro Liter (mg/L) ausgedrückt und kann über einen speziellen Sweat Test gemessen werden.

Die Schweißrate hingegen bezieht sich auf die Menge an Flüssigkeit (Schweiß) die wir beim Sport verlieren und wird durch mehrere Faktoren wie den Umweltbedingungen (Temperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Wind etc.), der Belastungs-Intensität, und Bekleidung beeinflusst. Die Schweißrate wird ausgedrückt in Milliliter oder Liter pro Stunde und kann selbst über den Körpergewichtsverlust von vor- und nach Trainingseinheiten bestimmt werden.

Sowohl die Schweiß-Natrium-Konzentration, als auch die Schweißrate sind sehr individuell und zeigen große Unterschiede zwischen Sportler/innen auf 6. Jedoch, im Gegensatz zur Schweißrate, die abhängig von genannten Faktoren stark variieren kann, ist die Schweiß-Natrium-Konzentration größtenteils genetisch bedingt und bleibt im Erwachsenenalter mehr oder weniger identisch. D.h. die Schweiß-Natrium-Konzentration muss lediglich einmal bestimmt werden.

Bei der optimalen Hydrationsstrategie sind also zwei Fragen zu beantworten: Wie viel schwitze ich pro Stunde (ml oder L/h) und wie salzig ist mein Schweiß, bzw. wie viel Natrium verliere ich in meinem Schweiß (mg/L)?

Die Schweiß-Natrium-Konzentration variiert ebenfalls stark zwischen SportlerInnen:

  • Manche verlieren weniger als 200 mg Natrium pro Liter Schweiß
  • Andere können über 2.300 mg pro Liter verlieren
  • Der Durchschnitt liegt bei etwa 950 mg/L, was durch großangelegte Studien bestätigt wird 7,8.


Diese individuellen Unterschiede machen deutlich, warum ein "One-size-fits-all" bei der Hydrationsstrategie nicht funktioniert.


Athlet*innen mit niedriger, mittlerer oder hoher Schweiß-Natrium Konzentration:

Athlet*innen bei der Messung der Schweiß-Natrium-KonzentrationAbbildung 1: Individuelle Unterschiede in der Schweiß-Natrium-Konzentration von Athlet*innen. Angepasst von Asker Jeukendrup, mysportscience.9

Der Sweat Test: Wie 'Salty' bist du


Es gibt bestimmte Symptome, die darauf hindeuten können, ob du eher einen salzigen oder weniger salzigen Schweiß hast. Dazu gehören: 

  • Salzränder an Bekleidung, Trailweste, Rennanzug, Cap oder im Gesicht und auf den Augenbrauen,
  • Salzig schmeckender Schweiß, ein Brennen in den Augen und Wunden, wenn der Schweiß hineinläuft,
  • Regelmäßiges Craving von salzigen Lebensmitteln oder
  • Regelmäßiges Auftreten von Krämpfen nach langen und/oder intensiven Belastungen in der Hitze
  • Sowie ein grundsätzliches „underperforming“ unter Hitzestress oder
  • Verlängerte Regenerationszeiten nach Trainings und Wettkämpfen

Keins dieser Symptome allein garantiert, ein „salty sweater“ zu sein, aber bei einer Kombination aus mehreren ist es deutlich wahrscheinlicher! Je nachdem kann eine grobe Einschätzung auf der „Saltyness-Skala“ erfolgen.

Abbildung 2: „Saltyness-Skala“ – Individuelle Schweiß-Natrium-Konzentration. Adaptiert von Precision Hydration Ltd. 

Wer die Schweiß-Natrium-Konzentration ganz genau bestimmen möchte, kann einen sogenannten Sweat Test machen, der von den Precision Fuel & Hydration Sweat Test Centern durchgeführt wird. Die verwendete Testtechnologie hat eine lange Geschichte in der Verwendung in der Medizin, wo sie unter anderem als diagnostisches Instrument für Mukoviszidose eingesetzt wird.

Der vollkommen schmerzfreie, nicht-invasive Sweat Test findet in Ruhe statt und ermittelt präzise die individuelle relative Schweiß-Natrium-Konzentration in mg/L. Basierend auf den Ergebnissen ist eine individuelle Empfehlung für die optimale Stärke der Elektrolytgetränke im Training und Wettkampf möglich. Eine individualisierte Herangehensweise an die Hydration kann den entscheidenden Unterschied in der sportlichen Leistung ausmachen. Prominente Beispiele dazu liefern Elite Athlet*innen wie Hayden Hawks (HOKA), Robbie Britton (PF&H) oder Caitlin FielderTabor Hemming (adidas TERREX) und im Triathlon Emma Pallant-Browne. Side Fact: Hayden nahm 2024 bei seinem Western States Podium-Finish 45x Elektrolyt-Kapseln zu sich. 11.250 mg Natrium – angepasst an seinen individuellen Bedarf. Das zeigt, wie wichtig es ist, sich mit dem Thema Elektrolythaushalt auseinanderzusetzen und die eigene "Saltyness" zu kennen. Auch ohne Sweat Test kann die Hydrationsstrategie verbessert werden: Orientierung liefern die oben genannten Symptome und die "Saltyness-Skala". Achte auf den Natriumgehalt verschiedener Sportnahrungsprodukte und Elektrolyttabletten (z.B. PH500 = 500mg/L, PH1000 = 1.000 mg/L, PH1500 = 1.500mg/L von Precision Fuel & Hydration). (Weitere Empfehlungen für die praktische Umsetzung steht im Blog (Teil 2/3) über „die optimale Hydrationsstrategie für Training & Wettkampf“.)

Die optimale Natriumaufnahme:


Die optimale Natriumaufnahme variiert je nach individueller Schweiß-Natrium-Konzentration, ist aber auch abhängig von der Schweißrate, Trainingsintensität und Umgebungsbedingungen. Als allgemeine Richtlinie gilt es, die gleiche relative Natrium-Konzentration in den Getränken zurückzuführen, wie du sie in deinem Schweiß verlierst. Eine relative Schweiß-Natrium-Konzentration von 1.000 mg/L würde bedeuten, pro 500 ml Flüssigkeit/500 mg Natrium zuzuführen und die Gesamt-Flüssigkeitszufuhr abhängig von der Schweißrate zu gestalten. Dazu erfährst du mehr in dem Blog über die „Flüssigkeitszufuhr während der Belastung“ (wird in den kommenden Wochen veröffentlicht).

„Zusammengefasst ist ein ausgewogener Natriumhaushalt entscheidend für:

  1. Prävention von Dehydrierung und Überhydrierung
  2. Reduzierung des Risikos von belastungsinduzierter Hyponatriämie (Exercise-Induced Hyponaträmie)10.
  3. Linderung von Muskelkrämpfen, insbesondere bei AthletInnen, die häufig zu Muskelkrämpfen neigen11.
  4. Aufrechterhaltung effizienter Körperkühlungsmechanismen, insbesondere unter Hitzebedingungen
  5. Verbesserung der Flüssigkeitsretention und -absorption
  6. Vermeidung von Leistungseinbußen und Magen-Darm-Beschwerden durch Elektrolyt- und Flüssigkeitsungleichgewichte

Auch zu viel Salz ist gefährlich! Wer unüberlegt Salzkapseln nimmt, riskiert neben Übelkeit, einem aufgeblähten Bauch und Ödembildung (kommt aber auch bei Hyponatriämie vor) im Extremfall einen so starken Durst, der zu exzessiver Flüssigkeitszufuhr führt. Das wiederum würde Hyponatriämie auslösen. Achtsam bleiben und auf den Körper hören: Bei „Salz-Cravings“ die Natriumzufuhr etwas erhöhen, bei Verlangen nach reinem Wasser die Natriumzufuhr verringern.


Fazit


Um die Hydrationsstrategie zu personalisieren, ist die Messung des Natriumverlusts durch einen Sweat Test ideal. Alternativ haben fragebogen-basierte Studien gezeigt, dass auch die subjektive Einschätzung von Schweißsalzgehalt und -rate als erste Orientierung dienen kann 7. Grundsätzlich ist es vorzuziehen, die Schweiß-Natrium-Konzentration genau zu messen, aber eine fundierte Schätzung kann eine sehr gute Alternative sein, wenn ein Test aus Kosten- oder logistischen Gründen nicht möglich ist. Ob durch Messung oder Schätzung – eine individuelle Hydrationsstrategie ist für jeden Athleten gleichermaßen lohnenswert. Wichtig ist zu beachten, dass eine zu hohe Natriumaufnahme ebenfalls problematisch sein kann. Die Natriumaufnahme sollte daher individuell angepasst und mit einem Ernährungsexperten oder Sportmediziner besprochen werden.


1 Del Coso J, González-Millán C, Salinero JJ, Abián-Vicén J, Areces F, Lledó M, Lara B, Gallo-Salazar C, Ruiz-Vicente D. ‘Effects of oral salt supplementation on physical performance during a half-ironman: A randomized controlled trial’. Scand J Med Sci Sports. 2015 Feb 14. doi: 10.1111/sms.12427. 

2 Stuempfle KJ, Hoffman MD. Gastrointestinal distress is common during a 161-km ultramarathon. J Sports Sci. 2015;33(17):1814-21. doi: 10.1080/02640414.2015.1012104. Epub 2015 Feb 26. PMID: 25716739.

3 Hydration and cooling in elite athletes: relationship with performance, body mass loss and body temperatures during the Doha 2019 IAAF World Athletics Championships. Racinais S, Ihsan M, Taylor L, Cardinale M, Adami PE, Alonso JM, Bouscaren N, Buitrago S, Esh CJ, Gomez-Ezeiza J, Garrandes F, Havenith G, Labidi M, Lange G, Lloyd A, Moussay S, Mtibaa K, Townsend N, Wilson MG, Bermon S. Br J Sports Med. 2021 Dec;55(23):1335-1341. doi: 10.1136/bjsports-2020-103613.

4 Sanders B et al. Sodium replacement and fluid shifts during prolonged exercise in humans. Eur J Appl Physiol. 2001; 84(5):419-425.

5 Hiller WD. Dehydration and hyponatremia during triathlons. Med Sci Sports Exerc. 1989;21(5 Suppl):S219–21.

6 Baker LB. Sweating Rate and Sweat Sodium Concentration in Athletes: A Review of Methodology and Intra/Interindividual Variability. Sports Med. 2017; 47(Suppl 1):111-128.

7 Ranchordas, M.K., Tiller, N.B., Ramchandani, G. et al. Normative data on regional sweat-sodium concentrations of professional male team-sport athletes. J Int Soc Sports Nutr 14, 40 (2017).

8 Baker LB, Barnes KA, Anderson ML, Passe DH, Stofan JR. Normative data for regional sweat sodium concentration and whole-body sweating rate in athletes. J Sports Sci. 2016;34(4):358-68. doi: 10.1080/02640414.2015.1055291. Epub 2015 Jun 12. PMID: 26070030.

9 Jeukendrup, A. (JAHR). How much do you sweat and how much sodium do you lose? [Abb. 1]. Mysportsscience. https://www.mysportscience.com/post/how-much-do-you-sweat (zuletzt abgerufen am: 12. 03.2025).

10 Exercise-Associated Hyponatremia: 2017 Update. Hew-Butler T, Loi V, Pani A, Rosner MH. Front Med (Lausanne). 2017 Mar 3;4:21. doi: 10.3389/fmed.2017.00021.

11 Horswill CA, Stofan JR, Lacambra M, et al. Sodium balance during U. S. football training in the heat: cramp-prone vs. reference players. Int J Sports Med. 2009;30(11):789–79.


Abbildungsverzeichnis:

Titelbild: SALTY Trailrunning. (https://www.saltytrailrunning.com/)

Abbildung 1: Individuelle Unterschiede in der Schweiß-Natrium-Konzentration von AthletInnen.

Abbildung 2: "Salytness-Skala" - Individuelle Schweiß-Natrium-Konzentration.

Juli Brüning

Juli ist Ernährungswissenschaftlerin (M.Sc.), Performance Nutritionist und Ultra Trailrunner für das Craft Elite Run Team Germany. Sie betreut Athletinnen und Athleten in allen sport- und ernährungswissenschaftlich relevanten Themen und arbeitet als Sweat Test Center und Athlete Support für Precision Fuel and Hydration. Die ernährungsphysiologischen Prozesse des Stoffwechsels, sowie die frauenspezifische Physiologie sind Kernthemen ihrer Arbeit.

8 Minuten gelesen

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